Da hier ja immer mal wieder über das Thema Vakuum-Spannen geredet wird, habe ich mir gedacht, ich beschreibe das Ganze mal etwas aus einer objektiven Perspektive und zeige mal mit ein paar Beispielrechnungen auf, was machbar ist und was nicht und was man beachten sollte.
Arten der Vakuum-Spannung an Werkzeugmaschinen und deren Auswahl
Oft besteht die Notwendigkeit, etwas auf dem Maschinentisch zu spannen, ohne es zu beschädigen, Löcher rein zu machen oder es muss einfach schnell gehen.
Dazu eignet sich oft auch das Spannen mittels Vakuum.
Wieso kann man mit Vakuum spannen?
Dazu benötigt es einen Differenzdruck zwischen der Unterseite des Werkstückes und der Oberseite des Werkstückes. Unsere Atmosphäre drückt dann auf das Werkstück drauf. Das ist das Grundprinzip. Stellen wir uns mal vor, unter dem Werkstück wäre ein totales Vakuum und wir befinden und in Höhe Meeresspiegel. Dann lastet auf dem Werkstück ein Gewicht der Atmosphäre von 1kg/cm². Bei einem Werkstück von 10x10cm sind das dann 100kg + Gewicht des Werkstücks, mit der es auf dem Tisch aufliegt.
Arten von Vakuum-Spanneinrichtungen
Hochvakuum
Dazu wird unter dem Werkstück eine Nut in eine Opferplatte gefräst, die eine Gummischnur aufnimmt. Das Werkstück wird darauf gelegt und das Vakuum mit einem Restvakuum von 30-50mBar saugt das Werkstück fest. Die Andruckskraft berechnet sich jetzt nach der vom Gummiring eingeschlossenen Fläche und dem Differenzdruck. (1000mBar-Restdruck).
Eine 10x10cm Fläche würde so mit 95-97kp angepresst.
Vorteile:
-Sehr hohe Anpressdrücke erreichbar.
-Kleine Pumpen mit wenig Literleistung, 1-2kW sind meist ausreichend, auch für große Flächen.
-Es kann mit Kühlmittel gefräst werden (Flutungskühlung), da das Vakuum statisch ist und keine Flüssigkeit eingesaugt wird
Nachteil:
Für jedes Teil muss eine Vorrichtung gefräst werden, in der die Dichtschnur liegt. Das Werkstück kann innerhalb der Fläche der Dichtschnur nicht durchgefräst werden (Sofortiger Vakuum-Verlust). Notfalls sind mehrere Bereiche mit Dichtschnur zu verlegen.
Niedrigvakuum
Dazu wird eine Vakuumpumpe die viel Durchsatz hat, aber nur einen geringen Differenzdruck erreicht, benutzt. Das Werkstück wird ebenfalls auf eine Dichtschnur gelegt. Die Anpresskraft berechnet sich nun ebenfalls aus der Fläche innerhalb der Dichtschnur und des Differenzdruckes. Als übliche Differenzdruck je nach Pumpe sind zwischen 25mBar und 100mBar (Staubsauger-Seitenkanalverdichter, Schraubenverdichter).
Eine 10x10cm Fläche würde so mit 2,5kp-10kp angepresst.
Vorteil:
Leicht zu benutzen, keine große Vorarbeit notwendig
Nachteile:
-teure Pumpen nötig (Seitenkanalverdichter, Schraubenverdichter),
-hohe Vakuumleistung nötig (>30kW bei 3mx2m Spannfläche).
-kann nicht mit Flutungskühlung benutzt werden, da sonst die Flüssigkeit eingesaugt würde
-nicht benutzte Flächen des Tisches müssen abgedeckt werden.
-bei leistungsschwachen Pumpen nur kleine Tischgrößen (max, 0,5m²) sinnvoll, trotzdem geringe Anpresskraft.
Welchen Kräften muss man den überhaupt widerstehen?
Es gibt 2 Arten von Kräften, denen wir widerstehen müssen. Einmal der Kraft die entsteht, wenn ein Fräser/Bohrer mit positiven Drall ins Werkstück fährt. Diese Kraft wirkt der Gewichts/Anpresskraft direkt entgegen und kann von dieser subtrahiert werden.
Dann gibt es noch die Kraft, die als Schnittkraft auftritt, wenn wir seitlich Material wegnehmen. Diese ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie Größe des Fräsers, Zustelltiefe, Schnittgeschwindigkeit, Materialhärte. Die genaue Größe dieser Kraft können wir ausrechnen, wenn wir die Parameter alle haben. Diese Kraft wird senkrecht auf die Gewichts/Anpresskraft und kann von der Haftreibung abgezogen werden.
Also gilt es 2 Punkte zu beachten und einzuhalten:
1. Die vertikel auftretende Fräskraft muß kleiner als die Gewichts/Anpresskraft sein.
2. Die horizontal auftretende Schnittkraft muß kleiner als die Haftreibung sein.
a) Beide Kräfte zusammen dürfen natürlich in Addition nicht größer sein, also die Gewichts/Anpresskraft.
Wie groß sind diese Kräfte?
Die vertikale Kraft beim Fräsen hängt ab von den Schnittdaten/Material und dem Drall der Spannut.
Zum Ausrechnen dieser Kraft habe ich noch keine Formel gefunden.
Aber die Kraft kann man oft auch minimieren bzw. ganz eliminieren und ja, sogar umkehren. Wie? Indem man einen Fräser ohne Drall oder einen Fräser mit negativen Drall benutzt.
Zugegeben, nicht für alle Bearbeitungsarten ist das möglich. Wie hoch diese Kraft im Einzelfall ist, muss man ausprobieren.
Die horizontale Kraft kann man berechnen, dazu gibt es Formeln.
Beispiel1:
Material: Edelstahl-Blech, 100mm lang, 15mm breit, 3mm dick.
Arbeit: 1,5mm tiefe Tasche ausfräsen und dann die Kontour fräsen.
Fräser: HM-Fräser für Edelstahl, 3mm, 2-Schneider, 3mm Schnittlänge
ca. Schnittkraft: 12kp
Die Vertikale Kraft können wir in dem Fall vernachlässigen.
Schauen wir uns mal das Werkstück an: Wenn wir die Gummischnur am Rand abziehen kommen wir auf eine Fläche von 8,46cm². Das wäre ein Anpressdruck von ca. 8kp beim Hochvakuum, 0,253kp beim Staubsaugermodell.
Aber warum bleibt das Werkstück liegen (oder nicht)?
Das es liegen bleibt, hängt erst mal nicht (nur) von der Kraft ab, mit der das Werkstück auf den Tisch gepresst wird. Wenn ich eine polierte Stahlplatte habe und einen Eiswürfel drauf presse, kann ich den auch bei 100kg Anpressdruck wegschieben. Also worauf kommt es dann an?
Ok, die vertikale Kraft durch das Ausheben des Werkstückes habe ich schon erklärt, daran gibt es nichts, was man ändern kann (außer der Fräsergeometrie). Diese Kraft wirkt direkt der Anpresskraft entgegen und man hat verloren, wenn diese größer ist.
Aber was ist mit der horizontalen Schnittkraft? Diese wirkt gegen die Haftreibung. Die Haftreibung ist direkt proportional zur Anpresskraft und hängt von den Materialeigenschaften ab. Das heißt, die Materialpaarung zwischen Werkstück und Auflagefläche sollte eine möglichst hohe Haftreibung aufweisen. Das kann man erreichen, indem man als Auflagefläche eine luftdurchlässige Schaumgummimatte nimmt, oder ein anderes Material, was eine sehr hohe Haftreibung aufweist.
Gummi/Stahl hat zum Beispiel einen Reibwert von 0,5 und einen Reibwinkel von 26,6°.
Damit würde die Haftreibung bei unserem Beispielteil von oben im Hochvakuum bei 16,92kp liegen und beim Niedrigvakuum bei 0,56kp liegen.
Wir sehen, dieses Teil können wir im Hochvakumm-Spannverfahren fertigen, aber nicht im Niedrigvakuum-Verfahren.
Bei größeren Teilen und anderen Materialien sieht es für das Niedrigvakuum-Verfahren natürlich besser aus.
2. Beispiel:
Material: Kunststoff ohne Füllstoffe, 20x20cm, 15mm dick.
Arbeit: Tasche ausfräsen, 3mm tief
Werkzeug: 6mm VHM-Fräser mit gerade Spannut, 2 Schneider
Schnittkraft: ca. 4,4kp
Reibwert Kunststoff/Gummi = 0,42
Vertikale Kräfte gibt es kaum, da wir mit einer geraden Spannut am Fräser arbeiten.
Der Anpressdruck ist in dem Fall bei
a) Hochvakuum = 400cm² = 380kp, die Haftreibung bei 904kp.
b) Niedrigvakuum = 400cm² = 20kp, die Haftreibung bei 47kp.
In dem Falle ist ein problemloses Bearbeiten mit beiden Vakuum-Spannmethoden möglich.
Bevor man sich also für ein Vakuum-Spannsystem entscheidet, muss man also erst einmal feststellen, was für Materialien bearbeitet werden sollen und welche Größen die Werkstücke haben und ob mit Kühlmittel gearbeitet werde soll oder nicht.
Eine weitere Methode, allerdings etwas aufwändiger, ist die Benutzung einer Opferplatte mit 2 Formen. Das heißt, man fräst eine Tasche in die Opferplatte, die exact dem Rohmaterial entspricht, legt das Werkstück da ein und läßt es mit Vakuum fixieren. Nun werden seitliche Kräfte abgefangen durch die Tasche und es müssen nur noch die vertikalen Kräfte durch das Vakuum gehalten werden.
Wenn das Teil nun komplett bearbeitet ist, fräst man eine 2. Tasche, legt das Werkstück kopfüber passend ein und bearbeitet die Rückseite.
Etwas aufwändiger, aber dafür auch mit schwachem Vakuum beherrschbar.
Ich hoffe, etwas Klarheit in die Spannsysteme gebracht zu haben und Möglichkeiten aufgezeigt, die es ermöglichen, auch mit wenig Anpressdruck zufriedenstellend mit Vakuum spannen zu können.